Montag, 9. Juni 2014

Joe Coomer: Der Papagei, das Telefon und die Bibliothekarin

253 S., Bertelsmann-Club

Dieser Roman stand lange Zeit auf meiner Wunschbuchliste und ich hatte schon ganz vergessen, warum. Wahrscheinlich hatte ich irgendwo eine Rezension gelesen, die mir interessant erschien. Vor einiger Zeit bekam ich über lovelybooks das Angebot, das Buch nur gegen Porto zugeschickt zu bekommen. Obwohl ich nicht mehr wusste, worum es ging, ließ ich es mir schicken. Eine Weile stand es noch rum, aber nun habe ich es endlich gelesen. So sind manchmal die Buch(um)wege.

Lyman, Hauptakteur des Buches, wurde in seiner Kindheit Opfer eines Autounfalles, bei dem seine Eltern starben. Aufgewachsen in verschiedenen Pflegefamilien ist er schon lange erwachsen und mag das Wort "Waise" so gar nicht. Dennoch ist ohne seine Geschichte diese neue Geschichte nicht denkbar.

Lyman fliegt ein Papagei zu und dieser spricht höchst merkwürdige Sätze. "Die Fittiche haben, sagen's weiter" ist zum Beispiel solch ein Satz und wie sich später heraus stellt, ein Zitat aus der Bibel. Lyman möchte wissen, woher der Vogel stammt, er versucht den Besitzer zu finden, denn er will wissen, wer dem Vogel solch merkwürdiges Vokabular beigebracht hat.

Hilfe bekommt er von der Bibliothekarin Fiona, die schon lange ein Auge auf ihn geworfen hat und gemeinsam gelingt es beiden über Umwege, die Vorbesitzer des Vogel ausfindig zu machen. Während Lyman den tieferen Sinn hinter den Aussprüchen des Papageis zu verstehen versucht, ist Fiona pragmatischer. Doch beide eint - auf sehr unterschiedliche Weise - die Suche nach dem Sinn des Lebens. Lyman selbst ist dies nicht wirklich bewusst. Er ist gefangen in seinen Strukturen, gewachsen aus seinen Erfahrungen und seinen Kindheitserlebnissen. Er hält sich fest an seinem Job als Straßenwächter, bei dem er Menschen und Tieren hilft und manchmal auch ein Lebewesen sterben sieht. Dies ist seine Art mit dem Tod seiner Eltern umzugehen und so will er es bis zu seinem Lebensende halten.

Dennoch fasziniert ihn der Papagei und er glaubt, all diese Sprüche ergeben einen tieferen Sinn, sie stehen im Zusammenhang und der Vogel ist eine Art Prophet für ihn.

Fiona hingegen ist zwar auch in sich gefangen, lässt sie sich dauerhaft auf keine zwischenmenschlichen Beziehungen ein und sie hält es nicht lange an einem Ort. Und genau deshalb glaubt sie nicht an Vorhersehung, an Schicksal oder dergleichen. Sie will Lyman helfen, ihn aber auch "befreien" aus seiner eingeschränkten Weltsicht.

Das dies auf Dauer nicht gut gehen kann, wird schnell klar. Trotz ihrer gemeinsamen erfolgreichen Suche schaffen es beide nicht, sich aus ihren selbsterwählten Zwängen zu befreien. Am Ende bleibt dennoch ein kleiner Hoffnungsschimmer, als Fiona den verunglückten Lyman mitsamt seines Wohnwagens entführt und damit eine Schwelle für ihn und sich überschreitet. Er begibt sich damit in ihre Hände und (zumindest für eine Weile) aus seinen altvertrauten Strukturen und sie macht den Schritt zu einer tieferen und längeren Beziehung.

Eine kleine, leicht lesbare Geschichte über die selbstgewählten Mauern und ihre Überwindung - philosophisch und klug.

 

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