Donnerstag, 31. Januar 2013

Rachel Joyce: Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harlod Fry

378 S., Büchergilde Gutenberg, 16,99 €, ISBN 978-3-76326586-2

Harold Fry ist ein alter Mann. Sein Leben läuft so dahin, mit seiner Frau Maureen wechselt er kaum noch ein Wort. Schweigend und voll Bitterkeit verbringen sie ihren Lebensabend. Bis eines Tages ein Brief Harold erreicht.

Eine alte Kollegin namens Queenie Hennessy hat diesen Brief geschrieben - um Abschied zu nehmen und Lebewohl zu sagen. Denn Queenie liegt im Sterben, unheilbar an Krebs erkrankt. Harold will ihr antworten und schreibt einen Brief - sehr kurz, zu kurz, merkt er, als er unterwegs zum Briefkasten ist.

Drum beschließt er weiter zu laufen. Es geschieht ganz von selbst. Er läuft und läuft. Erst von einem Briefkasten zum anderen, dann einfach weiter, bis zu einer Tankstelle. Dort begegnet er einem Mädchen, das ihm von seiner Tante erzählt, die durch den reinen Glauben wieder geheilt wurde.

Und plötzlich ist sie da, diese Idee: ich laufe zu Queenie, sie muss auf mich warten, sie muss leben, wenn ich bei ihr ankomme. Harold hat weder richtige Schuhe, noch sonst irgendeine Ausrüstung dabei, um queer durch England vom südlichsten Zipfel bis ganz in den Norden zu laufen, wo Queenie in einem Hospiz lebt.

Aber genau das macht den Reiz der Geschichte aus. Völlig unvorbereitet und einfach aus dem Bauch heraus startet Harold diese Reise, die ihn in dessen Verlauf an die Grenzen seiner physischen und psychischen Existenz bringt. So nach und nach erfährt der Leser, was es mit seiner Ehe und seinem Sohn David auf sich hat. Warum er ausgerechnet Queenie etwas schuldet und wie ihn seine Kindheit zu dem Menschen hat werden lassen, der er ist.

Langsam und bedächtig wird die Reise geschildert. Anfangs fehlte mir ein Kontext. Ich verstand nicht, was Harold bewegte, diesen Marsch auf sich zu nehmen. Ich wunderte mich über seine Frau Maureen und die Sprachlosigkeit dieser beiden Menschen.

Doch der Roman steigert sich, wird philosophisch. Er läßt einen verstehen, warum einer zum Pilger wird. Und er gibt die Öffentlichkeit, die Anteil nimmt an Harolds Reise, der Lächerlichkeit preis. Richtig bitter wird es, als Harold Gesellschaft bekommt und er plötzlich nicht mehr allein unterwegs ist. Erst schließt sich ein junger Mann und ein Hund an. Dann werden es immer mehr Menschen, aus den unterschiedlichsten Motiven heraus. Aber keiner versteht Harold wirklich - und keiner kennt Queenie und weiß, was sie für Harold getan hat.

Man möchte sie alle wegschicken, sie rütteln und sagen: Laßt diesen Mann in Frieden. Versteht ihr nicht, dass die Pilgerreise nur seine ganz persönliche Sache ist, die niemand nutzen kann. Ihr tut ihm keinen Gefallen damit. Geht Euern ganz eigenen Weg.

Die Pilgerreise des Harold Fry ist eine warmherzige Geschichte, die die entscheidenen Themen eines Lebens aufgreift. Krankheit, Liebe, Freundschaft, Tod. Was tun wir selbst, um andere glücklich zu machen und auch für unser eigenes Glück. Was vergessen wir in unserem stumpfsinnigen Alltag, was zählt wirklich.
 
Die Begegnung am Ende mit Queenie ist trostlos und traurig zugleich. Kein Happy-End, sondern eine durch und durch nachvollziehbare schreckliche Erfahrung. Dennoch hat Harold das Richtige getan - für sich - und findet wieder zu sich selbst. In diesem Sinne dann doch: ein Happy-End.


Donnerstag, 17. Januar 2013

Graham Greene: Der menschliche Faktor

342 S., Verlag Volk und Welt, 1986

Der kalte Krieg ist nun schon eine ganze Weile vorbei - Gott sein Dank! Ebenso wie das Apartheidsregime in Südafrika. Aber genau um diese Themen dreht sich dieser gemächliche Spionageroman von Graham Greene.

Hauptperson ist Maurice Castle, der kurz vor der Pensionierung steht, einen recht ruhigen Job beim MI5 hat und mit einer dunkelhäutigen Südafrikanerin verheiratet ist. Sarah ist einst selbst als Agentin tätig gewesen und wurde mitsamt ihres Sohnes aus Südafrika geschleust.

Sie weiß jedoch nicht, daß ihr Mann deshalb als Doppelagent arbeitet: für den englischen Geheimdienst ebenso wie für den sowjetischen.

Lange Zeit bleibt sein Tun auch dem Leser verschlossen. Nur laut Klappentext kann man erahnen, dass Maurice ein Doppelagent ist. Sein Kollege wird verdächtigt, als eine undichte Stelle in der Abteilung entdeckt wird. Dieser wird sogar mundtot gemacht und es ereilt  ihn eine "Leberzirrhose".

Ich brauchte wirklich eine ganze Weile, bis ich verstand, wie die Kontaktaufnahme und die Codierung der Informationen ablief - zu entfernt war die damalige Technik von der heutigen. Es mutet im wahrsten Sinne des Wortes schon sehr antiquarisch an, die Chiffrierung mittels Büchern in den 70er Jahren, in denen das Buch entstand.

So richtig wollte der Funke beim Lesen nicht überspringen. Ich empfand die Geschichte nicht als spannend, erst am Ende nahm sie etwas Fahrt auf. Vielmehr würde ich die Erzählweise als behäbig bezeichnen.

Am Ende war die Lektüre für mich ein kleiner historischer Ausflug in die Zeiten von schwarz und weiß.

 

Dienstag, 8. Januar 2013

Korrektur meiner Jahresbestenliste

Ich muss meine Jahresbestenliste nochmal ändern, denn ich hab meine Lieblingsautorin Zeruya Shalev ganz übersehen. Sie reiht sich mit "Für den Rest des Lebens" dennoch hinter "Die hellen Tagen" auf Platz 2 ein.

Ich muss mich entschuldigen - bei meinen Lesern und bei Frau Shalev!

Montag, 7. Januar 2013

Franziska Gerstenberg: Wie viel Vögel

228 S., Büchergilde Gutenberg, ISBN 3-7632-5503-6

Der vorliegende Geschichtenband ist lediglich eine kurze Rezension wert. Inhaltlich drehen sich alle Geschichten um alltägliche Begebenheiten ohne wirkliche Höhepunkte.

Mal ist es der Beziehungrettungsversuchsurlaub in Amsterdam, der natürlich daneben geht, mal um eine Wette, welche Eltern sich eher scheiden lassen. Irgendwie hat alles mit Beziehungen, Familie und Freundschaft zu tun, aber wirklich hängen bleibt nichts. Schon für diese Rezension muss ich nochmal nachschlagen, worum es eigentlich in einzelnen Episoden ging.

Sie sind banal und enden abrupt, im nichts. Und fast bei jeder Geschichte fragte ich mich, was soll mir das jetzt sagen? Wo ist der Spannungsbogen, wo die Pointe? Als einzige Geschichte gefiel mir "Doch Schnee", welches sich mit dem ersten Weihnachtsfest zweier (fast erwachsener) Schwestern und ihres Vaters nach dem Weggang der Mutter beschäftigt. Wie die einzelnen Familienmitglieder ihre Rollen einnehmen, um die Abwesenheit der Mutter zu überspielen, ist einfühlsam erzählt.

So gab es doch einen kleinen Lichtblick innerhalb einer unwichtigen Erzählsammlung.

Dienstag, 1. Januar 2013

Marc Levy: Solange du da bist

277 S., Aufbau Taschenbuchverlag, 8,50 €, ISBN 3-7466-1836-3

Ein Weltbestseller kann gute Literatur versprechen oder nur gut gemachte. Letztere setzt sich oft aus ein paar einfachen Zutaten zusammen: eine leicht verständliche Sprache, starke Gefühle und ein Happy End. Bestenfalls taugt der Stoff dann auch für eine Drehbuchvorlage für Hollywood. So auch "Solange du da bist", der 2005 mit Reese Witherspoon und Mark Ruffalo wohl auch eher banal verfilmt wurde. 

Liebhaber der leichten Muse werden von dem Buch begeistert sein. Ich allerdings halte es für reine Zeitverschwendung. 

Die Ärztin Lauren fällt nach einem Autounfall ins Koma und weilt seitdem als Geist auf der Erde. Nur, keiner kann sie sehen oder anders wahrnehmen. Erst Arthur, ein Architekt, der in ihre Wohnung einzieht, nachdem sie seit 6 Monaten unbewohnt ist, kann Lauren wahrnehmen. Und zwar in voller Schönheit. Sie wirkt so real und lebendig, dass Arthur eine ganze Weile braucht, das Unfassbare zu glauben. 

Doch dann verliebt er sich in Lauren und als sie von den lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet werden soll, beschließt er sie zu retten und flieht mit ihr in das Haus seiner lange verstorbenen Mutter. Dort wird die Geschichte seiner Kindheit erzählt und plötzlich ist ihnen die Polizei auf den Fersen, die nach dem entführten Körper einer Komapatientin sucht.

Dieses Buch will einfach zuviel: ein wenig Fantasy, eine Liebesgeschichte, Psychogram eines "Märchenprinzen" und noch eine Prise Krimi ergeben im ganzen leider nur ein schlechtes Buch. Zu banal die gewählten Worte, blutarm und langweilig. Der Autor hätte sich lieber Zeit nehmen sollen, seine Hauptpersonen zu führen, die Liebesgeschichte entwickeln zu lassen, statt sie mit dem Holzhammer einfach herbei zu zaubern. Zuckersüß ist dieser Plot, zu süß für meinen Geschmack.

Marc Levy - dies wird mein erstes und letztes Buch von Ihnen gewesen sein. Adieu!