Mittwoch, 21. November 2012

Timur Vermes: Er ist wieder da

396 S., Eichborn, 19,33 €, ISBN 978-3-8479-0517-2

Ich war doch neugierig geworden auf dieses Buch, da ich einige positive Kritiken gelesen habe und ich wissen wollte, ob es an "Die Nachhut", von dem ich so begeistert war, herankommt.

Die Grundidee ist geklaut, soweit lege ich mich fest, auch wenn es hier Hitler selbst ist, der plötzlich "wieder da" ist und er sich schnell mit der aktuellen Situation abfindet und ganz anders agiert als die "Nachhut". Er wacht auf einem leerstehenden Grundstück auf, etwas verstaubt und reichlich nach Benzin stinkend. Wie das möglich ist 66 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges bleibt ein Rätsel und wird nicht weiter erklärt - was ich bereits als ersten großen Fauxpas empfinde.

Nach dem ersten Schrecken der Erkenntnis, in welchem Jahr er sich befindet, landet Hitler in einem Kiosk. Der Besitzer kümmert sich rührend um ihn und meint, in ihm einen genialen Imitator gefunden zu haben. Da dieser einige Leute von Filmproduktionen kennt, empfiehlt er Hitler weiter und bald sieht sich dieser in einer Comedyshow wieder, die er jedoch nicht als solche erkennt und für einen neuen Propagandafeldzug nutzen will.

Das gelingt ihm auch ordentlich, das Publikum ist begeistert, dass hier einer auf satirische Weise ausspricht, was sie denken. Sie lachen über seine "Witze", ernst nimmt das Gerede keiner. Den Finger in die wunden Stellen Deutschlands scheint der auferstandene Hitler zu legen und das mit zunehmenden Erfolg.

Die Produktionsfirma steht stramm und gibt ihm zuliebe gar den Hitlergruß. Da bleibt dem Leser doch das Lachen im Halse stecken. Überhaupt fand ich das Werk nur leidlich lustig. Echte Pointen gibt es nur wenige, die meisten Schmunzeleinlagen sind so böse, dass ich sie grenzwertig finde.

Genau wie Hitler im Buch nach seiner Vergangenheit und Gesinnung gefragt wird, so stellt sich mir die Frage nach der Hintergrundmotivation des Autors. Wenn Hitler beispielsweise die Bild-Zeitung vorführt, so kann man sich insgeheim freuen über diesen gelungenen Schachzug. Auch die NPD bekommt ihr Fett weg und wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Aber sollte man mit Hitler lachen können? Und sollte man einigen seiner Ausführungen innerlich zustimmen, vor allem, wenn es fraglich ist, ob er tatsächlich so denken würde, lebte er wirklich in der heutigen Zeit?

Ich konnte nicht immer alles nachvollziehen und bezweilte an vielen Stellen, dass ein Adolf Hiter so reden würde. Wahrscheinlich wollte der Autor genau dies bezwecken: wir sollen begreifen, wie leicht es ist, den Ansichten zu folgen, wie schnell es gehen kann, dass ein echter "Führer" uns wieder verführt.

Dies ist ein löbliches Anliegen, jedoch hat mich das Buch nicht überzeugt. Es ist gut geschrieben und hier und da fehlt es nicht an Witz - leider aber an Logik. Hitler erliest sich sehr schnell seine Situation: er ist über 100 Jahre alt, der Krieg ist zuende, die Grenzen des "Reiches" sind völlig anders als von ihm geplant und er selbst gilt als tot. Dennoch scheint er nicht zu begreifen, warum ihn alle nach seinem "richtigen" Namen fragen und sich wundern, warum er seinen Bart und seine Uniform außerhalb der Auftritte nicht ablegen will. Von derlei Unstimmigkeiten wimmelt das Buch. Das hat mich eigentlich am meisten gestört. Anpassung an die neue Zeit - ja, aber der Mensch Hitler lebt, als hätte es seinen Tod offiziell nicht gegeben. Sehr seltsam.

Fazit: "Die Nachhut" bleibt unangefochten. Die Grundidee ist nun mal kein Garant für kluge Literatur. Eines wird der Autor dennoch erreichen. Das Buch wird sich verkaufen und das noch nicht mal zu unrecht. Geeignet für eine kontroverse Diskussion ist es allemal.

 

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