Sonntag, 5. August 2012

Arnaldur Indriðason : Frevelopfer

380 S., Bastei Lübbe, 8,99 €, ISBN 978-3-404-16611-4 

Das Isländer auch Krimis schreiben, war mir bis vor kurzem noch neu. Ich weiß gar nicht, wer mir Indriðason als Autor ans Herz gelegt hat, aber auf meinem Wunschzettel stand eigentlich ein anderes Werk: "Abgründe". Zum Geburtstag bekam ich dann aber "Frevelopfer" geschenkt, welches nun mein erster Indriðason wurde. 

Es ist der 9. Fall der "Kommisar Erlendur"-Reihe, in dem derselbige allerdings so gut wie keine Rolle spielt. Seine Kollegin Elínborg ermittelt in einem Fall eines ermorderten jungen Mannes, der mit durchgeschnittener Kehle, einem zu kleinen T-Shirt bekleidet und Rohypnol in der Hosentasche aufgefunden wird. Das Rohypnol ist bekannt als Beruhigungsmittel, aber auch als sogenannte Vergewaltigungsdroge, da es vermischt mit Alhohl zu einem totalen Gedächtnis- und Kontrollverlust führt. 

Schnell sind Elínborg und ihr anderer Kollege sich einig, dass es sich hierbei wohl um einen Racheakt handelt. Der Tote namens Runólfur hat vermutlich junge Frauen mit diesem Mittel willenlos gemacht und sie vergewaltigt und jemand hat sich an ihm gerächt, indem er ihn ebenfalls diese Zeug schlucken ließ.

Lange Zeit bekommt die Polizei allerdings nicht viel heraus - weder über Runólfur, der als freundlicher, unbescholtener Bürger bekannt ist - noch über die Frau, mit der er am Tag des Todes noch Geschlechtsverkehr hatte. Ist sie die Mörderin? Am Tatort fand sich noch ein Tuch mit einem ungewöhnlichen Geruch, dem Geruch nach Tandoori - einer indischen Gewürzmischung.

Zumindest ist dies ein Anhaltspunkt, ebenso die Zeugenaussage einer etwas verwirrten Frau, die einen Mann mit einer "Antenne" am Bein zum Tatzeitpunkt in der Nähe der Wohnung des Opfers gesehen haben will.

Schleppend sind die Ermittlungen. Zeitweise spielen mehr die Familienverhältnisse der Kommissarin eine Rolle - ihre pubertierenden Kinder, ihre Leidenschaft fürs Kochen, die ihr in diesem Fall sehr weiterhilft. Zwischendurch ist auch die Rede des vorhin bereits erwähnten Kollegen Erlendur, der zu einem Urlaub weilt, aber gleichzeitig für niemanden erreichbar ist und die Sorge um ihn zunehmend wächst.

Insgesamt hat mich der Krimi nicht überzeugt. Das lag an zwei Dingen, zum einen fand ich die eigentliche Krimihandlung zu offensichtlich, die Fährten zu plump gelegt, die offenen Fäden und Ungereimtheiten teilweise am Ende nicht aufgelöst. Da habe ich schon wesentlich Besseres gelesen.

Zum anderen - und das trägt sicherlich auch zum ersten Störfaktor bei - ist die Sprache sehr einfach und wenig virtuos. Gerade nach dem Genuss eines vortrefflichen Romans fiel es mir schwer, mich mit dieser Schlichtheit anzufreunden. Sicher erwartet man von Krimis keine literarische Höchstleistung, aber auch hier bin ich von z. B. Elizabeth George eine andere Klasse gewohnt.

Indriðason versucht in seiner Reihe die klassischen Muster zu bedienen: die Kommissare bekommen ein Profil und dies wird (vermutlich) von Roman zu Roman weiter verfolgt. Vielleicht konnte ich deshalb auch einiges im Buch nicht nachvollziehen. Und vielleicht wurden deshalb auch nicht alle Fäden zu Ende gesponnen. Es reizt mich allerdings nicht allzusehr, diese wieder aufzunehmen - so spannend waren sie dann doch nicht.

Gut gefallen hat mir hingegen, dass dem Autor mit der Kommissarin Elínborg eine Figur gelungen ist, die mitten im Leben steht. Sie hat kein Alkoholproblem wie Harry Hole bei Nesbo, sie ist kein einsamer Wolf wie Wallander und kein Adliger wie Thomas Lynley. Auch die Aufklärung des Falles ist nicht spektakulär, sondern vielmehr große Routinearbeit: das Überprüfen von sämtlichen Verbindungen zum Opfer, zu den gefundenen Gegenständen und immer wieder Nachhaken und unter Druck setzen der Verdächtigen. Dabei geht es aber ganz ohne Action und Gewalt zu. Und manches bleibt eben auch unaufgeklärt, trotz guter Polizeiarbeit, weil einfach nach einer gewissen Zeit kein Beweis mehr vorrätig ist, um einen Täter dingfest zu machen.

Ebenfalls positiv fand ich die Kochleidenschaft der Kommissarin, die meiner eigenen sehr entspricht. So mochte ich die Ausflüge, die sie in ihre Küche macht - manch anderen mag dies langweilen.

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