Samstag, 31. Dezember 2011

Volker Kutscher: Goldstein

573 S., Kiepenheuer & Witsch, 9,99 €, ISBN 978-3-462-04323-5

Den ersten Teil der Gereon-Rath-Reihe hatte ich zufällig entdeckt und er hat mir sehr gut gefallen. Als ich jetzt das Angebot bekam, den dritten als Rezensionsexemplar zu bekommen, habe ich zugeschlagen. Nun fehlt mir leider der zweite, aber für die Handlung ist das kaum von Bedeutung.

Gereon hat nach wie vor Probleme mit seiner Freundin Charly und auch der Spagat zwischen dem Guten in Form der Polizeiarbeit und der Unterwelt, in der er noch offene Rechnungen hat, gelingt ihm mehr schlecht als recht.

Den Reiz des dritten Bandes machen aber vor allem die verschiedenen Handlungsstränge aus, die gekonnt im Laufe des Romans zusammengefügt werden. Am Ende ist nicht alles so schlüssig, wie ich es mir gewünscht hätte, aber der Spannung durchaus würdig.

Gereon wird zu seinem Leidwesen nicht einem aktuellen Mordfall zugewiesen, sondern soll einen amerikansichen Juden namens Goldstein überwachen, gegen den in den USA als Mörder bereits ermittelt wird. Er soll lediglich aufpassen, dass dieser in Berlin der 30er Jahre keinen Unsinn treibt.

Wir begegnen außerdem Alex, einer Kleinkriminellen, die beim Einbruch in das KaDeWe ihren Kumpel Benny verliert, der vom Dach desselbigen stürzt - nicht etwa ein Unfall, sondern eine gezielte Tat der dort auftauchenden Polizei. Alex schwört Rache und kommt über einige Umwege mit Charlotte Ritter, der Freundin Raths in Berührung. Diese versucht, ihr zu helfen.

Die dritte Ebene des Buches dreht sich um das Verschwinden einer Unterweltgröße und Rath wird von seinen zwielichtigen Kontakten aufgefordert, Licht in das Dunkel zu bringen. Hat hier etwa der verfeindete Klan seine Finger im Spiel? Bricht bald auch noch ein Bandenkrieg in Berlin aus?

Wie bereits angedeutet, hängen alle diese Fälle zusammen und bis fast zum Schluss ist auch nicht ganz klar wie. Damit ist Spannung garantiert.

Das Ganze spielt wieder vor politisch brisantem Hintergrund. Die Situtation in Berlin wird immer schlimmer: die Braunhemden wüten immer häufiger und ausschweifender, die Bevölkerung guckt weg oder hat Angst. Gegenwehr gibt es kaum.

Gerade diese gesellschaftliche Entwicklung läßt mich auf weitere Bände neugierig werden und auch den zweiten werde ich irgendwann nachholen.

Eindeutig ein Lesetipp!


 

Montag, 26. Dezember 2011

Dietrich Faber: Toter geht's nicht

287 S., Rowohlt, 13,95 €, ISBN 978-3-86252-024-4

Wer einen unkonventionellen Krimi mit Lokalkolorit und einer ordentlichen Portion Witz und toller, fein beobachteter Sozialspitzen lesen möchte, dem sein Dietrich Fabers "Toter geht's nicht - Bröhmanns erster Fall" ans Herz gelegt. Ich habe nicht selten in mich rein geschmunzelt und manchmal sogar laut gelacht bei der Lektüre.

Henning Bröhmann ist Hauptkommissar bei der Kriminalpolizei Oberhessen- mitten in der Provinz. Sein Vater war bereits bei der Polizei und dies ist eigentlich auch der einzige Grund, warum Henning ebenfalls dort gelandet ist. Nicht sonderlich interessiert und talentiert an der Polizeiarbeit muss er jedoch einen Mord aufklären und das auch noch ganz ohne Hilfe seines Assistenten, der gewöhnlich die Fälle löst.

Doch dieser ist aus familiären Gründen nicht im Dienst. Hinzu kommt, dass Hennings Frau urplötzlich beschlossen hat, sich eine Auszeit zu nehmen und zur "Kur" zu fahren und ihn und die Kinder einfach allein läßt. Henning ist dies so gar nicht gewöhnt und muss sich mit seinem 5jährigen Sohn Laurin und der 14jährigen, pubertierenden Tochter Melina herumschlagen.

Dies gestaltet sich alles andere als einfach: der Spagath zwischen Beruf und Familie ist kaum zu bewältigen und die Kinder sind durch das Verschwinden der Mutter nicht gerade pflegeleicht. Hund Berlusconi setzt der ganzen Situation noch die Krone auf.

Und wie soll Bröhmann diesen Mordfall aufklären ohne seine denkenden Assistenten? Auf dem Faschingsumzug in Nidda ist Klaus Drossman, verkleidet als Tod, erschlagen worden. Wer hatte ein Interesse an einer solchen Tat und wo soll man überhaupt anfangen zu suchen?

Mehr zufällig als gezielt kommt Bröhmann gemeinsam mit seiner Praktikantin und dem zweiten Assistenten dann doch auf eine Spur. Der Schlagerstar Herr Bärt scheint ein Motiv zu haben und am Ende klärt sich dann doch alles auf, wenn auch nicht ganz so, wie gedacht.

Ein paar Überraschungsmomente hat der Roman auf Lager, seine echte Qualität entwickelt er aber durch die äußerst humorvoll beschriebenen Akteure. So zum Beispiel der ökologisch und politisch korrekt betriebene Kindergarten Schlumpfloch und seine dauerstudierenden Ökovorsteher Molli und Wolle - einfach köstlich! Oder Tochter Melina, die bei Außentemperaturen um die 0 Grad bauchfrei auf den Karneval marschiert und jegliche elterliche Ansage an ihr abprallt. Man findet sich und sein Umfeld in so vielen Situationen treffend beschrieben und ich kann darüber herzhaft lachen.

Ein leichtes und rumum gelungenes Buch! Ich freue mich jetzt schon auf eine Fortsetzung.

Samstag, 17. Dezember 2011

Meine literarischen Jahreshighlights

Die Zeit der Jahresrückblicke ist mal wieder angebrochen und ich habe mich mal auf meinem Blog umgeschaut. Soviele Bücher wie dieses Jahr habe ich noch nie gelesen und darauf bin ich stolz! Es waren einige irrelevante Bücher dabei, die man sich getrost hätte sparen können, viele mittelmäßige Roman, aber auch einige echte Glücksgriffe und Entdeckungen.

Da mein Leseverhalten sich ja nicht nur auf aktuelle Literatur erstreckt, ist mein Rückblick also nicht wirklich als ein Rückblick auf 2011 und deren Neuerscheinungen zu sehen, sondern wirklich einfach mein ganz persönliches Leseerlebnis.

Hier meine Top 10:
  1. Elsa Osario: Mein Name ist Luz
  2. Marlen Haushofer: Die Wand
  3. Wolfgang Herrndorf: Tschick
  4. Charles Lewinsky: Gerron
  5. Khaleid Hosseini: Tausend strahlende Sonnen
  6. Jonathan Franzen: Freiheit
  7. Alina Bronsky: Scherbenpark
  8. Emma Donoghue: Raum
  9. Lilly Lindner: Splitterfasernackt
  10. Leonie Swann: Garou
Und diese Bücher werde ich nächstes Jahr auf jeden Fall lesen und ihr Euch auf meine Rezensionen freuen:

  1. John Irving: Letzte Nacht in Twisted River
  2. Michel Houellebecq: Karte und Gebiet
  3. Henning Mankell: Der Feind im Schatten
  4. Antonia Baum: Vollkommen leblos, bestenfalls tot
  5. Christina Ohlsson: Aschenputtel
  6. Marie-Sabine Roger: Der Poet der kleinen Dinge
  7. Zsuzsa Bank: Die hellen Tage
  8. Max Frisch: Notizbuch
  9. Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil
  10. Alex Capus: Léon und Louise
 Ich freue mich auf zahlreiche Kommentar und wünsche Euch bereits jetzt ein frohes Fest!

Sonntag, 11. Dezember 2011

Thomas Wolfe: Schau heimwärts, Engel

781 S., Büchergilde Gutenberg

Der Klassiker von Thomas Wolfe ist Vorbild für viele amerikanische Autoren, die in ihren Werken die Familie als symbolische Grundlage des Amerikas der jeweiligen Zeit fungieren lassen. Wolfe beschreibt autobiografisch das Leben seiner Familie und in Eugen Gant, der Hauptfigur des Romans, findet sich sein Alter Ego wieder.

Mr. Gant - der Vater - ist ein jähzorniger Alkoholiker, die Mutter Eliza geschäftstüchtig bis geradezu geizig. Geprägt durch ihre Armut nach dem Kriege, versucht sie soviel Geld wie möglich zu sparen und anzuhäufen. Schlecht geht es ihnen nicht, aber es mangelt an Bildung und oft kommt es zu Streit um den Alkohol und die verpassten Chancen im Leben. Zu verschieden sind die beiden, deren Ehe für beide auch nicht die erste ist.

Die Kinder (insgesamt 10, die jedoch nicht alle überleben) leiden darunter und bilden bald Lager, als die Mutter auszieht, eine eigene Pension aufmacht und den Vater allein läßt. Die Verbindung der beiden Eltern bleibt zwar bis zum Tod mal mehr, mal weniger lose bestehen, aber die Familie existiert so nicht mehr. Helen, die einzige Tochter, kümmert sich aufopfernd um den Vater. Steve verfällt bald selbst unwiderbringlich dem Alkohl. Nur Eugene scheint es zu schaffen, wird er doch von einer Lehrerfamilie gefördert und auf ein College geschickt.

Doch dies führt nicht etwa zu Stolz bei den Eltern, sondern zu Mißgunst und Erbitterung unter allen Familienmitgliedern. Es wird um Geld gestritten und jede Verfehlung hoch gehängt. Solch eine Familie wünscht man sich nicht, dennoch halten sie in schweren Stunden zusammen, zum Beispiel als Bruder Ben an einer Lungenentzündung stirbt.

Gerazu obsessiv ist Wolfes Schreibweise, mal langsam wie ein Fluss fließend, beschreibend, mal stakkatoartig, all die Wut und Trauer verarbeitend. Das Ideal des Amerika, in dem alles möglich scheint, wird auf eindrucksvolle Weise an den Pranger gestellt. Oft fällt es dem Leser schwer, am Ball zu bleiben. Zu konfus und nebensächlich scheint die Erzählweise. Doch bald schon ist man wieder in den Bann gezogen, wird hineingerissen in den Strudel der Geschichte.

Gespickt hat Wolfe sein Werk mit zahlreichen Zitaten und humanistischem Bildungsgut in Anspielungen und Vergleichen. In der Ausgabe der Büchergilde Gutenberg gibt es einen umfangreichen Anhang mit allen Übersetzungen und Anmerkungen. Ich selbst habe mich darauf beschränkt, die wichtigsten Passagen nachzuschlagen, da sonst der Lesefluss arg gestört würde. Dennoch ist es löblich, diesen Reichtum an Wissen nicht zu unterschlagen und dem Leser nachvollziehbar zu machen.

Mir selbst liegen die neuen amerikanischen Autoren wie Jonathan Frantzen, Don deLillo und Wally Lamb wesentlich mehr. Deren Schreibstil ist moderner und kommt meinen Lesegewohnheiten einfach mehr entgegen. Auch kann ich deren Kritik an Amerika eher folgen als dem vergangener Tage. 

Dennoch: ein Klassiker, für den man sich Zeit und Ruhe nehmen sollte.