Sonntag, 6. März 2011

Arno Geiger: Alles über Sally



363 S., Büchergilde Gutenberg, 18,90 €, ISBN 978-3-7632-6342-4

Nach einigen unbefriedigenden Leseerlebnissen der letzten Wochen kann ich sagen - endlich wieder ein gutes Buch. Arno Geiger ist ein Meister der Beobachtung und ein Meister der Sprache. Ich war erstaunt, wie ein 42jähriger Mann sich in die Psyche einer Ü-50jährigen Frau hineinzuversetzen vermag.

Erzählt wird die Geschichte von Sally und Alfred. Es ist die Geschichte ihrer Ehe, die nicht die schlechteste ist und wie in jeder Ehe kommt es nach vielen Jahren zu einer gewissen Eintönigkeit, der beide im Verlauf zu entfliehen versuchen.

Im Vordergrund steht aber Sally, die nach einem Hauseinbruch extrem genervt von Alfred ist. Denn diesen belastet dieser Einbruch in seine Intimsphäre sehr, er leidet darunter, dass sehr private Dinge mitgenommen oder zerstört wurden. Sally hat dafür kein Verständnis, auch nicht dafür, dass sich Alfred in sein Heim zurückzieht und seinen Stützstrumpf, den er wegen seiner Krampfadern trägt, so gar nicht mehr ablegen will.

Sie flüchtet sich in eine Affäre mit Erik, der Mann eines befreundeten Ehepaares. Alles ist aufregend und Sally fühlt sich wieder jung, bis Nadja, Eriks Ehefrau verkündet, Erik will die Scheidung wegen einer anderen, jüngeren Russin. Sally ist verunsichert und leidet.

Geiger erzählt die Geschichte vor allem aus Sallys Sicht. Aber er wechselt auch die Persepektiven - mal ganz neutral von außen und am Ende des Buches kommt Alfred zu Wort und man ist ganz erstaunt, wieviel er doch mitbekommt, während Sally ihn eigentlich für sehr naiv hält.

Besonders gefallen hat mir die Sprache, der sich Arno Geiger bedient. Das Buch hat zahlreiche wundervolle Sätze von Poesie und tiefer Wahrheit, wie diese hier:

"Alfred schaute auf die geschlossene Tür, und ohne es in präzise Worte kleiden zu müssen, wusste er, dass die Ehe mit Sally das einzige war, was noch die Fähigkeit besaß, seine Neugier in dieser Welt zu wecken."

" 'Nur schade, dass unser Angriff auf das bürgerliche Leben kaum zehn Jahre gedauer hat', sagte sie. Es war erstaunlich, wie man mit einem einzigen Satz über so lange Zeiträume hinwegschweifen konnte. All die vielen Kleinigkeiten, die mit langen, festen Fäden verbunden waren, regten sich leise. "

Den einzigen Makel, den der Roman für mich hat, war die Schilderung der jungen Beziehung, als beide in Ägypten zusammen lebten und Sally sich für immer für Alfred entschied. Für mich war dieser Part zu lang und wirkte losgelöst vom eigentlichen Thema. Diese Zeit spielt auch nicht wirklich eine Rolle für das, was später passiert. Hier hätte Geiger entweder kürzer treten können oder eine aussagekräftigere Verbindung zum Verlauf der Ehe setzen müssen.

Es bleibt dennoch eine grandiose Beschreibung einer guten Ehe und was diese ausmacht, trotz der Ausbrüche, die beide haben, wissen sie doch am Ende, warum sie sich füreinander entschieden haben. Ein wirklich lesenswertes Buch.

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