Sonntag, 11. April 2010

Wally Lamb: Die Stunde, in der ich zu glauben zu begann





749 S., 22,95 €, Pendo, ISBN 978-3-86612-206-2

Wally Lamb ist für mich einer der besten, lebenden amerikanischen Schriftsteller. Auch in dem dritten Buch, welches ich von ihm gelesen habe, überzeugt er mich in seiner Begabung, seine Protagonisten nicht nur oberflächlich zu streifen, sondern mit ihnen zu verwachsen. Sie agieren glaubhaft und ziehen den Leser in den Bann. Jeder Einzelne hat unsere Sympathien, aber auch seine Abgründe. Und alles wird miteinander verwoben: die Handlungen und Familiengeheimnisse der agierenden Personen, ebenso wie reale Ereignisse der amerikanischen Gesellschaft.

Tragender Hintergrund ist die Familiengeschichte des Ich-Erzählers Caelum. Sie begleitet den Leser durch den ganzen Roman und deckt vor allem im letzten Drittel eine ganze Menge Geheimnisse auf.

Am Anfang steht das Ehepaar Caelum und Maureen (genannt Mo) Quirk. Sie führen eine mittelmäßige Ehe, die jedoch bald durch ein tragisches Ereignis völlig aus der Bahn geworfen wird. Während Caelum bei seiner todkranken Tante weilt, wird in Littleton/Colorado an der Columbine Highschool durch zwei Schüler ein Massaker verübt. Maureen ist mittendrin - da sie als Krankenschwester an der Schule beschäftigt ist - überlebt aber, schwer traumatisiert, in einem Wandschrank.

Danach ist nichts mehr wie es war. Mo leidet am Posttraumatischen Stresssyndrom und fängt sich nicht mehr. Sie hört auf zu arbeiten, die Quirks ziehen aus Colorado weg. Danach folgt eine schwere Zeit, in der Maureen medikamentenabhängig wird.

Nach ein paar Jahren wagt sie es dennoch, wieder arbeiten zu gehen. Jedoch kommt sie mit dem Druck der Arbeit nicht klar und verfällt wieder den Opiaten. Unglückliche Umstände führen eines Abends dazu, daß sie unter Drogeneinfluss einen Jugendlichen tot fährt und in Folge dessen kommt sie für fünf Jahre ins Gefängnis.

Währenddessen kämpft Caelum um ihre gemeinsame Existenz, die Farm. Die Behandlung seiner Frau und die Anwaltskosten haben ihr Vermögen über die Jahre aufgebraucht. Und sein Kampf führt ihn nach und nach zu neuen Erkenntnissen, über sich und seine Familie.

Neben dem Ehepaar gibt es noch zahlreiche andere Personen, die eine Rolle spielen. Da ist Velvet, ein junges Mädchen, daß "Mom" zu Maureen sagt und das Ehepaar Micks, daß Caelum aufnimmt, nachdem diese vor dem Sturm Katrina geflohen sind.

Überhaupt versucht das Buch viele Ereignisse der letzten 15 Jahre zu verarbeiten. Lamb positioniert sich entschieden gegen die Bush-Regierung und den Irak-Krieg. Manch einem scheint dies zuviel für einen Roman zu sein, aber Lamb gelingt es wunderbar, all diese Ebenen miteinander zu verweben: Gesellschaftskritik in einer mitreißenden Familiengeschichte.

Einfach nur großes Kopfkino! Unbedingt lesen!


2 Kommentare:

  1. Ich fand es damals Zäh und langatmig. Irgendwas stimmt mit der Rezi nicht, ich galube sie steht 3 mal hintereinander drin :-))

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  2. stimmt - hab ich korrigiert. Naja, so unterschiedlich ist der Lesegeschmack. Ich kann mit diesen ganzen Jugendbuch-Fantasy-Geschichten und diesem Leicht-spritzigen Frauen/Liebesgeschichten, die gerade so gepriesen werden nichts anfangen.

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