Sonntag, 29. März 2009

Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh


188 S., 16,90 €, Büchergilde Gutenberg, ISBN 978-3-7632-5778-2

Dieses kleine Büchlein hat unter den Literaturkritikern helle Begeisterung hervorgerufen. So schrieb z. B. die FAZ: "Ein Glücksfall von einem Roman." Und in der Tat ist dieses, mit dem "Corine"-Belletristik-Preis des ZEIT-Verlages ausgezeichnete Werk, eine lesenswerte Darstellung von Scheitern und Auferstehung.

Mit dem feinen Gespür für die Tragik des Alltäglichen schildert Genazino den Zerfall des bürgerlichen Lebens des Hauptprotagonisten Dieter Rotmund. Am Anfang des Romans steht der Verlust seines eigenen Ohres, welches plötzlich und ohne Vorwarnung in einer Kneipe unter dem Tisch liegt. Dieter Rotmund ist sofort klar, daß es sich um sein Ohr handelt. Jedoch verspürt er keinen Schmerz und kann sich auch nicht erklären, wie es dazu kommen konnte, daß ihm nun ein Ohr fehlt.

Und dies wird nicht sein einziger Verlust im Laufe der Geschichte bleiben. Und auch bei allen anderen wird er nicht verstehen, warum ausgerechnet ihn dieses Schicksal trifft. Seine Frau, die schon lange im Schwarzwald wohnt und mit der er eine Wochenendbeziehung führt, wird sich von ihm trennen, weil sie einen Liebhaber hat und wie so oft hat diese Trennung auch eine nicht unwesentliche Auswirkung auf sein Verhältnis zu seiner kleinen Tochter.

Obwohl er gerade zum neuen Finanzdirektor seiner Firma ernannt wurde, läuft nichts nach Plan. Nun sollte man annehmen, dies würde Herrn Rotmund aus der Bahn werfen und er würde versuchen, zu retten, was zu retten ist. Aber nein, er nimmt alles scheinbar gelassen hin, so, als würde dieses, aus den Fugen geratene Leben, nicht seins sein. Obwohl er anfangs in gewisser Hinsicht trauert, wandeln sich seine starken Gefühle recht bald in mittelmäßige Emotionen.

Erst die Begegnung mit Sonja, seiner Vormieterin, läßt ihn wieder ein wenig lebendiger werden. Doch es sollen noch weitere Verluste folgen.

Die Geschichte des Dieter Rotmund folgt keinem großen Spannungsbogen, doch die subtile und ironische Beschreibung des Wandels seiner Gefühle läßt sicher die meisten Leser mit ein wenig Lebenserfahrung mit dem Eindruck zurück, diese Leere auch schon selbst gespürt zu haben und die Mittelmäßigkeit des eigenen Lebens, der eigenen Verluste somit mit Humor nehmen zu können.

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